Was, wann, wo in Knittelfeld?

März 2024
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Kirchen- und Religionsgeschichte

Die Entwicklung einzelner Religionen in Knittelfeld

Historischer Rückblick
Vor der Gründung der uns heute bekannten Weltreligionen gab es schon naturreligiöse Erfahrungen, die zu den ältesten spirituellen (lat. spiritus = Geist, religiös gemeint = geistlich) Erfahrungen der Menschheit gehören. Als Religion (lat. religio = Rückbindung, auch relegere = immer wieder lesen, oder religare = zurückbinden, frei übersetzt, wieder verbinden mit Gott) wird unter anderem menschliches Verhalten, Handeln, Denken und Fühlen bezeichnet, das sich zumeist auf übernatürliche Vorstellungen (einer oder mehrere Gottheiten) bezieht.

Vor der Christianisierung wird in unserer Region vom Heidentum (außerhalb der christlichen Tradition stehenden Naturreligionen) gesprochen. Im 8. Jahrhundert um 755 kam es dann zur endgültigen Christianisierung (siehe Folge 36 – Dezember 12). Von nun an war das Christentum die bestimmende Religion, das auch durch mehrere Kirchenbauten in der Stadt zum Ausdruck kam. 1224 ist die erste Kirche in Knittelfeld, (St. Johann im Felde, um 1180 errichtet) urkundlich genannt. Der Bau der Stadtpfarrkirche wurde um 1489 vollendet. Beim schweren Bombenangriff am 23. Februar 1945 auf Knittelfeld wurde die Kirche total zerstört. 1956 ist sie wieder aufgebaut und eingeweiht worden.

Zur Verstärkung der Seelsorge kamen 1705 die Kapuziner nach Knittelfeld, es wurden die Kapuzinerkirche und das Kloster errichtet. 1998 verließen die Kapuziner die Stadt, danach war es bis 2009 Rektorat der Diözese Graz-Seckau und anschließend übernahm die rumänisch orthodoxe Kirche das Gotteshaus. Eine weitere Kirche – die Spitalskirche – wird erwähnt, die um 1513 gleichzeitig mit dem Bürgerspital in der Herrengasse errichtet wurde und 1789 als Gotteshaus ausgedient hatte.

Reformation und Gegenreformation
Mit der Reformation 1517 durch Martin Luther kam es zur Spaltung des christlichen Bekenntnisses. Auslösendes Moment war im Wesentlichen der Ablasshandel. In Folge der Reformation entstand zur einfacheren Unterscheidung der christlichen Bekenntnisse der Begriff „römisch katholische (griech. katholikos = allgemein, allgemeingültig) Kirche“, die den Primat des Papstes anerkennt. Die neue Glaubenslehre erreichte auch Knittelfeld. Bei einer in der Stadt abgehaltenen Kirchenvisitation im Jahr 1528 ist von lutherischen Sekten und deren Anhänger die Rede. Bemerkbar machte sich die neue Lehre Mitte des 16. Jahrhunderts, wo man sich 1568 in der Diözesanversammlung ernstlich mit der Abwehr der neuen Lehre befasste. Getragen wurde der neue Glaube vom Adelsstand. Die Bürgerschaft von Knittelfeld fand im Freiherrn von Praunfalckh eine starke Unterstützung. Ein Grabstein in der Stadtpfarrkirche des Hans Adam von Praunfalckh, gestorben 1571, erinnert heute noch an die Reformationszeit. Dieser Grabstein ist beachtenswert, weil er die „Rechtfertigungslehre“ Martin Luthers darstellt (Rechtfertigung des Sünders vor Gott nicht aufgrund von irgendeinem Tun des Menschen, sondern allein der Glaube, allein die Gnade …).
Bald darauf kam es auch in Knittelfeld zur Gegenreformation. Die Reformationskommission wurde aufgestellt und begann im Herbst 1599 in Graz ihre Tätigkeit. Am 23. März 1600 wurden durch Bischof Martin Brenner die Knittelfelder eingehend unterwiesen und mit militärischer Macht aufgefordert, zur katholischen Kirche zurückzukehren. Bis auf vier Bürger folgten alle der Aufforderung. Gleichzeitig wurden den Bewohnern die lutherischen Bücher abgenommen. Dann wurden am Marktplatz (Hauptplatz) 400 Bücher verbrannt. Um 1630 wurde über religiöse Zustände berichtet, dass es unter den Knittelfelder Bürgern noch viele „Laue und Kalte“ gibt. Trotz des Toleranzpatentes von Kaiser Josef II. vom 13. Oktober 1781, das den Lutheranern, Reformierten und Orthodoxen die Religionsausübung ermöglichte, kam es in Knittelfeld vorerst zu keiner Gründung solcher Glaubensgemeinschaften.

Religionsfreiheit in Österreich
Die Religionsfreiheit in Österreich ist im Staatsgrundgesetz von 1867 in den Artikeln 14 bis 16 geregelt. Dieses aus der Regierungszeit von Kaiser Franz Joseph stammende Gesetz wurde in die Österreichische Bundesverfassung aufgenommen und ist somit gültiges Recht:
Artikel 14
Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist Jedermann gewährleistet. Der Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntniss unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen. Niemand kann zu einer kirchlichen Handlung oder Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden, insofern er nicht der nach dem Gesetze hierzu berechtigten Gewalt eines Anderen untersteht.

Artikel 15
Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft hat das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung, ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig, bleibt im Besitze und Genusse ihrer für Cultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde, ist aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.

Artikel 16
Den Anhängern eines gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses ist die häusliche Religionsausübung gestattet, insoferne dieselbe weder rechtswidrig, noch sittenverletzend ist.

Weiteres ist die Religionsfreiheit in der im Verfassungsrang stehenden Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 geregelt:

Artikel 9. Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
(1) Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit des Einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, durch Ausübung und Betrachtung religiöser Gebräuche auszuüben.
(2) Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendigen Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.

Demnach steht jedem Bürger die Zugehörigkeit und Ausübung eines Bekenntnisses in einer Kirche oder Religionsgemeinschaft frei. Das heißt, dass auch Eintritt und Austritt zu bzw. von einer Religionsgemeinschaft frei von staatlichem Zwang sind. Es ist auch jedem Bürger unbenommen, keiner Religion anzugehören.

Evangelische und israelitische Glaubensgemeinschaft
Mit Beginn der Industrialisierung und zur Zeit des Bahnbaues in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es in unserer Region zu einem starken Zuzug aus den Kronländern. Nicht wenige der Zugezogenen gehörten dem evangelischen Glauben an. Der Mittelpunkt dieser Glaubensgemeinschaft war Zeltweg. Diese Glaubensgemeinschaft wirkte sich auch auf Knittelfeld aus, so dass sich um 1900 die evangelische Pfarrgemeinde konstituieren konnte. In dieser Zeit fand der Gottesdienst auf Grund des regen Zuspruchs im Gemeinderatssitzungssaal und in der Turnhalle statt. Gemeint ist damit wohl der Turnsaal der Kärntnerschule. Seit 1916 hat Knittelfeld eine eigene evangelische Pfarrgemeinde A. B. (Augsburger Bekenntnis). Am 11. Oktober 1936 wurde die evangelische Pfarrkirche eingeweiht.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen jüdische Zuwanderer nach Knittelfeld, die der israelitischen Kultusgemeinde (jüdische Glaubensgemeinschaft) angehörten. Die israelitische Kultusgemeinde ist in Österreich seit 1890 eine anerkannte Religion. Auf Grund der Zuwanderung entstand in Knittelfeld eine jüdische Glaubensgemeinde, die bis zur Vertreibung 1938 durch das NS-Regime bestand. An diese Zeit erinnern noch der Judenfriedhof und die Zeremonienhalle (heute Privatbesitz) in der Lendgasse. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte kein Jude nach Knittelfeld zurück.

Gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaften in Knittelfeld:
Mit der gesetzlichen Anerkennung genießen die Religionsgemeinschaften folgende Rechte:
• öffentliche Religionsausübung.
• Ausschließlichkeitsrecht (Namenschutz, Anspruch auf exklusive religiöse Betreuung der eigenen Mitglieder).
• selbständige Ordnung und Verwaltung der inneren Angelegenheiten.
• Schutz der Anstalten, Stiftungen und Fonds gegenüber Säkularisation.
• Recht auf Errichtung konfessioneller Privatschulen.
• Erteilung des Religionsunterrichtes an öffentlichen Schulen.